Boom für Behindertenwerkstätten
Im Rahmen der ReCare 2011 fand am 12. Mai eine vom Bundessozialamt Kärnten und dem Integrationsfachdienst “autArK” initiierte Informationsveranstaltung mit dem Titel “Die `Begleitenden Hilfen´ als wirksames Instrument zur Umsetzung von `Supported Employment´” statt.
Der Leiter des Bundessozialamtes Kärnten, HR Jakob Hudelist, stellte in seinem Begrüßungsstatement fest, dass es trotz Sinkens der allgemeinen Arbeitslosquote, bei Menschen mit Behinderungen eine Steigerung der Arbeitslosenzahlen gibt und bei dieser Bevölkerungsgruppe eine längere Verweildauer in der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen ist.
Andreas Jesse, Geschäftsführer autArK Soziale Dienstleistungs – GmbH, erläuterte einleitend die von autArK gesetzten Umsetzungsmaßnahmen zur “Unterstützten Beschäftigung” in Kärnten, deren Ziel die Vermittlung von Menschen mit Behinderungen in den 1. Arbeitsmarkt ist. Der Integrationsfachdienst autArK ist in Kärnten quasi Monopolist für die unter dem Begriff “Begleitende Hilfen” subsummierten Dienstleistungen Jobcoaching, Arbeitsassistenz und Berufsausbildungsassistenz.
Interessante Zahlen und Fakten zu inklusiven Übergangsprozessen von der Schule in Ausbildung und Beruf gab es im Referat von Dr.in Helga Fasching, Institut für Bildungsforschung der Universität Wien. Im Rahmen ihres Vortrages stellte sie ausgewählte Ergebnisse des von der Universität Wien von 2008 – 2011 durchgeführten Forschungsprojekts “Partizipationserfahrungen von Menschen mit intellektueller Behinderung” vor. Der Studie zufolge schaffen nur sehr wenige Schülerinnen und Schüler den direkten Übergang in die berufliche Bildung und Ausbildung. Prekär ist insbesondere die Lage der Schülerinnen und Schüler, die in integrativen Schulen nach dem S-Lerhplan (Lehrplan für Menschen mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen) unterrichtet werden. Die überwiegende Mehrheit dieser Schülerinnen und Schüler wechselt in Beschäftigungswerkstätten. Insgesamt ist ein Boom für Behindertenwerkstätten feststellbar: Im Zeitraum von 2002 bis 2008 wurden 30% mehr Menschen in Behindertenwerkstätten untergebracht! Helga Fasching forderte vehement die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie auch die Rückbesinnung auf das Ursprungsprogramm des “Supported Employment”, das keinen Ausschluss von Menschen mit Lernbehinderungen bzw. intellektuellen Beeinträchtigungen vorsieht. Als Schwächen des “Supported Employment” in Österreich ortete sie u.a. Zeitdruck und Erfüllungsquoten für Projektträger sowie den Umstand, dass sich die Finanzierung am Output orientiert, was zu einem Creaming-Effekt führt – also lediglich Personen in Unterstützungsmaßnahmen aufgenommen werden, die leicht zu vermitteln sind. Ebenso als Schwäche des Systems bezeichnete sie den Mangel an Daten, insbesondere das Fehlen von Studien, die die Situation betroffener Menschen behandeln.
Der Frage, ob die Zukunft der Arbeit Menschen mit Behinderungen eine Chance böte, ging Prof. Zellmann, Institut für Freizeit- und Tourismusforschung, in seinem Vortrag nach. Die Kernfrage der heutigen Generation beschrieb er folgendermaßen: “Leben wir um zu arbeiten oder arbeiten wir um zu leben?” Prof. Zellmann vertritt die Meinung, dass die industriealisierte Gesellschaft im Begriff ist, sich vom Prinzip der Lebenserhaltung zum Prinzip der Lebensgestaltung weiterzuentwickeln. Wir befinden uns auf dem Weg hin zu einem Dienstleistungszeitalter, das der Gesellschaft wesentlich mehr Chancen und Rechte aber auch Pflichten einräumt. Die Menschen haben die Möglichkeit, sehr starken Einfluss auf die Gestaltung ihrer zukünftigen Lebenswelt, die von Flexibilität, Mobilität und Individualität gekennzeichnet sein wird, auszuüben. Dies gilt selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderungen. Jedoch stellte Prof. Zellmann die Frage in den Raum, ob Menschen mit Behinderungen das nötige Selbstvertrauen hätten, ihre Wünsche für die Zukunft auch zu äußern und Forderungen zu stellen? Er denkt, dass Familien- und Nachbarschaftshilfe und Tätigkeiten in sozialen Einrichtungen sprunghaft ansteigen werden, da die `professionelle´Betreuung und Pflege für die öffentliche Hand auf Dauer nicht leistbar sein wird. Solche Leistungen, auch auf Vereinsebene, müssten entsprechend beachtet und in das Bruttosozialprodukt auch eingerechnet werden, z.B. durch Anrechenbarkeit dieser Zeiten. Sollten die Weichen richtig gestellt werden, kann die Zukunft der Arbeit eine echte Chance für behinderte Menschen darstellen. Jedoch müssten dafür adäquate, auf die gegebene Situation angepasste Programme entwickelt werden.