Stolperstein 1:„Normale Bedürfnisse“ und „Besondere Unsinnigkeiten“
Was Politikerinnen und Politiker an verbalen Gustostückerln auf der Kabarettbühne des Lebens zum Besten geben. Ein Ausflug in die verbalen Untiefen der Behindertenpolitik!
Man kennt es aus der täglichen Berichterstattung der Medien – Politikerinnen und Politiker reden um den heißen Brei herum und tänzeln mit enormen verbalen Geschick um die gesellschaftlichen und juristischen Fallstricke herum. Die Wortkreationen die dabei in den letzten Jahren entstanden sind, könnten das Guinness-Buch der Rekorde auf Anhieb füllen. So ist die Lüge zur Unwahrheit mutiert und der Lump zum „Hump“ geworden. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann ist „die Aussage halt aus dem Kontext gerissen worden“.
Im Zuge der Vervollkommnung dieser Königsdisziplin der politischen Propagandamacher und Marketingstrategen sind auch im Bereich von Menschen mit Behinderungen, Wortkreationen zum Standard erhoben worden, die sich sehen lassen können.
Die absolute Krone dieser schöpferischen Tätigkeit in diesem Bereich stellt wohl der Begriff der „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ dar. Dabei ist dieser Begriff weder zutreffend noch schmeichelhaft. Hier wird von der Politik der sehr subtile Versuch unternommen, Menschen mit einer Behinderung zu etwas Besonderem zu machen. Wer will schon gerne jemand anderen als „behindert“ bezeichnen, da wird man sehr schnell an seine eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten erinnert. Und welcher Politiker will das schon?!
Folgende Beispiele sollen demonstrieren, warum der Begriff „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ nicht nur falsch ist, sondern einen besonderen Unsinn darstellt.
- Ein Mensch der im Rollstuhl sitz benötigt diesen um sich fortzubewegen. Das Bedürfnis dahinter ist die Mobilität, also ein ganz normales Bedürfnis das wir alle haben. Auch bei der Nutzung eines barrierefreien WCs ist das dahinterstehende Bedürfnis ein ganz natürliches, lediglich das WC selbst muss gewissen Kriterien entsprechen.
- Menschen die Sehbehindert oder Blind sind, möchten ebenso wie andere Menschen Bücher lesen oder im Internet surfen. Um diesem Bedürfnis nachkommen zu können, benötigen sie spezielle Hilfsmittel. Das Bedürfnis dahinter ist der Wunsch nach Information, Unterhaltung, (Weiter)Bildung, …
- Ein gehörloser Mensch hat das Bedürfnis mit seinen Mitmenschen zu Kommunizieren. Der Gebärdensprachdolmetscher ist dafür notwendig.
- Menschen mit einer Hörbehinderung benötigen ein Hörgerät. Das Bedürfnis dahinter ist ebenfalls die Kommunikation mit ihren Mitmenschen.
Diese Liste könnte vermutlich noch lange fortgeschrieben werden, da Menschen mit Behinderungen wie alle anderen Menschen auch, eine Vielzahl von ganz natürlichen, menschlichen, Bedürfnissen haben. An erster Stelle steht dabei wohl ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen.
Und all jenen die sich jetzt fragen welche Begrifflichkeiten sie verwenden sollen sei gesagt, dass der Begriff „Menschen mit Behinderungen“ ein guter Anfang ist. Wer darüber hinaus Material zum Thema sucht dem sei das „Buch der Begriffe“ als Lektüre zum Nachdenken und mitdenken ans Herz gelegt.